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2024 SUMMER

SEONGSU-DONG: ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT

Ein Ort ohne Zufälle

Kim Jae-won ist Leiterin des auf Markendesign und -beratung spezialisierten Atelier Écriture. 2014 eröffnete sie in Seongsu-dong den Multifunktionskomplex Zagmachi, der sich seitdem für Planung und Betrieb einzigartiger Räume einsetzt. Sie gilt als treibende Kraft hinter den erstaunlichen Veränderungen des Viertels in den letzten zehn Jahren.

Zagmachi wurde so gestaltet, dass der Charakter des Gebäudes, in dem früher eine Druckerei untergebracht war, erhalten blieb. Das Café hatte sich eine starke Identität als Ort für Vorträge, Ausstellungen, Pop-up-Stores und andere Veranstaltungen erworben, eine Seltenheit zu jener Zeit.
Mit freundlicher Genehmigung von Atelier Écriture

Seongsu-dong, einst ein unscheinbares Fabrikviertel, hat sich zu einer der belebtesten Viertel Seouls gewandelt. Seine Gassen sind voller Restaurants und Cafés, vor denen die Menschen Schlange stehen. Mit der Zeit kamen auch Läden globaler Luxusmarken sowie Select-Shops mit einer großen Bandbreite der angesagtesten Modelabels hinzu. Und auch Pop-up-Stores sind hier zu finden, die nur temporär existieren und mit ausgefallenen Konzepten versuchen, die Aufmerksamkeit der Passanten zu erregen.

Kim Jae-won ist eine Planerin, die das Antlitz Seonsu-dongs durch räumliche Inhalte maßgeblich verändert hat. Alles begann mit dem Multifunktionskomplex Zagmachi, der eine verlassene Straße mit Kultur belebte. Danach zog Orer (2016), bekannt für seinen Kaffee und leckere Kuchen, viele Café-Hopper in Seongsu-dong an. Die Requisitengeschäfte W×D×H (2017) und Orer Archive (2018) zeigen, dass die Auswahl und Ausstellung von Objekten selbst ein Produkt werden können, und stellten dem bis dahin fast nur aus Cafés bestehenden Viertel wertvolle Inhalte zur Verfügung. Ode to Sweet (2019), ein Delikatessengeschäft für Süß- und Backwaren, und die Plattform für verschiedene Räume LCDC SEOUL (2021) machten die Einzelhandelsszene in Seongsu-dong noch ein Stück vielfältiger. 2022 entstand am Platz von Orer ein neuer Schreibwarenladen namens Point of View. Dieser Raum, der Werkzeuge für Kreativschaffende anbietet, gilt als wahrer Kundenmagnet, der auch heute noch viele Menschen anzieht. Kim Jae-won wird auch als „Pionierin von Seongsu-dong“ bezeichnet – kaum verwunderlich, bedenkt man die vielen Räumlichkeiten, die dank ihr entstanden sind.

Kim Jae-won, die Leiterin von Atelier Écriture, hat in den letzten zehn Jahren die Kleinhandelsszene durch innovative Projekte bereichert und wird daher auch als „Pionierin von Seongsu-dong“ bezeichnet.

Sie sind schon zehn Jahre in Seongsu-dong. Wie hat sich das Viertel mit der Zeit verändert?

Der Unterschied zwischen früher und heute ist enorm. In Seongsu-dong gab es so viele Druckereien, dass ständig mit Papier beladene Gabelstapler herumfuhren, und wegen der vielen Autowerkstätten waren die Straßen vollgestopft mit Supersportwagen. Das Straßenbild hat sich heute erheblich verändert. Ich weiß noch, wie wir in der Anfangszeit von Zagmachi mit unseren Mitarbeitern immer in einem Baekban-Restaurant (Baekban: preiswertes Menü aus Reis, Suppe und Beilagen) aßen, da es sonst einfach nichts anderes gab. Doch diese Art von Restaurants sind mittlerweile restlos verschwunden.

Dass die Zeit vergeht, merkt man besonders deutlich am Wegzug der Läden um einen herum. Der Friseursalon neben Point of View hat dicht gemacht und auch die Werkstatt auf der anderen Seite, die die Knetmaschine für die Kuchen von Orer hergestellt hatte, verschwand vor Kurzem.

Was macht Seongsu-dong so beliebt?

Das Viertel besitzt einen originellen Charme. Es ist eines der wenigen noch vorhandenen Halbindustriegebiete der Seouler Innerstadt. Die Industrie ging zwar zurück, doch das einzigartige Flair des Fabrikviertels mit den roten Ziegelsteinen und kühlen Fassaden seiner Gebäude sind erhalten geblieben. Aufgrund ihrer Größenordnung geht von ihnen eine Atmosphäre aus, die so kaum in einem anderen Viertel zu finden sein dürfte.

Seongsu-dong besitzt auch eine gute Anbindung zu Gangnam, dem hochentwickelten Südteil der Stadt, und die Nähe zu den drei Universitäten Konkuk, Sejong und Hanyang begünstigt den kulturellen Zufluss der jungen Generation.

Was halten Sie von der Bezeichnung „Pionierin von Seongsu-dong“?

Es stimmt schon, dass ich oft den ersten Stein ins Rollen gebracht habe. Erst durch Zagmachi, Orer und LCDC SEOUL begannen sich Straßen wie Seongsu-2-ro, Yeonmujang-gil oder Dongyeonmujang-gil zu entwickeln und bekannter zu werden.

Das Innere des Cafés Ephemera ist mit Briefmarken, Tickets, Flyer und Rechnungen dekoriert. Im Einklang mit dem klassischen Design sorgen sie für eine ruhige, sanfte Atmosphäre.
Mit freundlicher Genehmigung von Atelier Écriture

Was beeinflusste Ihre Entscheidung für Seonsu-dong?

Bei meinem Studium in London erlebte ich die Entwicklung des einst unterprivilegierten Stadtteils East London, in dem der Zuzug von Künstlern für das Erblühen vielfältigster Kulturen sorgte. Mit den Olympischen Spielen 2012 war der Gegend ein reger Aufschwung beschienen. In meinen Augen ähnelte Seongsu-dong East London, da es ebenfalls im Osten gelegen und noch nicht vollständig entwickelt war.

Als ich Textildesign an der Konkuk Universität unterrichtete, fand ich es schade, dass die Studenten des College of Arts and Design, um Spaß zu haben, weit in den Westen Seouls nach Hongdae fahren mussten. In Seongsu-dong konnte man nicht mal einen guten Kaffee bekommen. Für besonders hochwertige Sorten, die damals sehr im Trend waren, musste man schon Hongdae oder Itaewon aufsuchen. Aus diesem Grund eröffnete ich Zagmachi.

Das Zagmachi soll sich gut in die Atmosphäre von Seongsu-dong eingefügt haben.

Ursprünglich handelte es sich um eine Druckerei. Das Grundgerüst wie z. B. die H-Träger behielten wir bei, zurückgelassene Gegenstände verwendeten wir als Requisiten, sodass trotz des Umbaus das Flair des Standortes widergespiegelt wurde. Damals gab es in Seoul nur wenige Cafés, die über 100 Pyeong (etwa 330 ) groß waren. Es wurde eine offene Atmosphäre geschaffen, in der sich niemand eingeengt fühlen muss, was wiederum Kunden mit trendführenden Berufen wie Künstler oder Designer anzog. Bei uns gab es auch ziemlich ungewöhnliche Veranstaltungen, bei denen wir z. B. besonders interessante Café-Gäste einluden, Vorträge zu halten, oder Süßwarenkünstlern ermöglichten, ihre Werke bei einer „Ausstellung“ zu präsentieren.

Zur Zeit der Orer-Eröffnung schien Seongsu-dong bereits viel lebhafter geworden zu sein.

Damals ließen sich bekannte Cafés wie Daelim Changgo und Café onion fast gleichzeitig in Seongsu-dong nieder. Zuerst dachte ich an Konkurrenz, jedoch belebten sie eher das Geschäft. Die besonderen Orte in unserem Viertel sprachen sich rum, sodass ganze Busladungen mit Besuchern kamen, um „Café-Touren“ zu machen. Später gab es immer wieder Nachfragen, woher unser Geschirr oder andere Utensilien im Orer stammen. Da kam mir die Idee, einen Lifestyle-Laden zu eröffnen.

Das Café Orer entstand durch den Umbau eines Wohnhauses und eines Lagerhauses und wurde für seine gemütliche Atmosphäre bekannt, die an einen Hausgarten erinnerte. 2022 musste es schließen, ist aber noch immer in der Erinnerung vieler Menschen präsent.
Mit freundlicher Genehmigung von Atelier Écriture

Entwickelten Sie damals das Konzept des Vorgängers von Point of View?

Ich sammelte mal Äste und Steine als Dekoration für das Orer. Erstaunlicherweise fragte man wiederholt, ob man diese auch kaufen könne. Da wurde mir klar: Die Menschen faszinierte weniger der Gegenstand als vielmehr der Blick für das Kreative. Kuration selbst konnte also ein Produkt sein, daher eröffnete ich Orer Archive. Point of View entstand, weil ich Schreibwaren einfach so sehr mag.

Die Art und Weise, wie all die erwähnten Räume geplant wurden, war wegweisend für den Wandel und das Wachstum von Seongsu-dong.

Nur wenn all die Läden mit ihrem besonderen Charakter überleben, kann die Vitalität des Viertels erhalten bleiben. Die Liebe zu Seongsu-dong ließ mich, fast wie bei der Computer-Aufbausimulation Die Sims, immer neue Projekte angehen. Ein vages „Versuchen wir es mal“ gab es nicht. Alles geschah mit Sinn und Verstand, und musste auch, denke ich, so kommen wie es kam. Das Timing war allerdings auch gut. Mit Instagram wurde ein günstiges Umfeld für gut geplante kleine Marken geschaffen.

Alle die von Ihnen geschaffenen Räume werden für ihren hohen Perfektionsgrad bewundert.

Ich meine, auch Marken tragen eine besondere Handschrift. Deswegen legen wir großen Wert auf Details wie Inneneinrichtung und Musik; sogar der Sprachgebrauch auf Instagram soll unserem Stil entsprechen. So entsteht ein bestimmter Charakterzug, den ich weiterentwickele und den Situationen anpasse. Marken und Räume sind kein totes Gestein, sondern sind beweglich wie Lebewesen. Für einen gewissen Grad an Perfektion sollte man gut im Pivoting sein, also flexibel bei der Fortentwicklung seines Geschäftes sein. Anhaltspunkte findet man am besten bei den Reaktionen der Kundschaft. Man muss also vor allem ein guter Beobachter sein.

Um was für Räumlichkeiten soll es in Zukunft gehen?

Anstatt eine neue Marke zu kreieren möchte ich mich an einer neuen Version von Point of View versuchen. Dieses Mal aber z. B. nur mit Handwerksgegenständen, vielleicht auch nur mit Papier oder Keramik.

Im Schreibwarenladen Point of View kuratiert Kim sorgfältig verschiedene Arten von Schreibwaren und Kunstgegenständen, um Schöpfer und Geschichtenerzähler zu inspirieren.

Könnten Sie eine Route für Erstbesucher von Seongsu-dong empfehlen?

In Seongsu-dong gibt es so viel zu sehen, dass sich zunächst ein Rundgang empfiehlt. Da gut gemachte Pop-up-Stores an sich interessante Erlebnisse anbieten, würde ich vorschlagen, eine Liste mit den Läden zu erstellen, die man nachher abklappern möchte. Und wie wäre es, sich zwischendurch die Hotspots von Seongu-song anzuschauen? Zu nennen sind hier Point of View, Meshcoffee, das Asia-Restaurant Flavourtown, die Craftbeer-Brauerei SEOUL BREWREY, der Flagship-Store der Modemarke Adererror ADER Seongsu Space, LCDC usw. Ja, wahrscheinlich ist der Besuch von beidem – älteren Läden und Pop-up-Stores – die beste Mischung, um ein Gefühl für Seongsu-dong zu bekommen.

Yoo Ji-yeonJournalistin, Tageszeitung JoongAng Ilbo
Fotos Heo Dong-wuk

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